5) ERP - Das Europäische Ländliche ParlamentEuropean Rural Parliament (ERP) Was ist das „Europäische Ländliches Parlament"? Das Europäische Ländliche Parlament ist ein zivilgesellschaftliches Ereignis. Es hat keine gesetzgebende Gewalt wie ein traditionelles staatliches Parlament, sondern ist im ursprünglichen Wortsinn eine Form, in der „Gespräche" geführt werden: eine Begegnung von Akteuren im ländlichen Raum, insbesondere aus Dörfern, mit politischen Entscheidungsträgern, die auf Augenhöhe miteinander diskutieren. Es ist in erster Linie eine Form, der Landbevölkerung eine gemeinsame „Stimme" zu verleihen, mit der sie ihre Interessen artikulieren und ihre Erwartungen, Forderungen und Wünsche gegenüber der Politik vertreten können. „Ländliche Parlamente" sind zuerst in Schweden entstanden. Die schwedische Dorfbewegung, in den 1980er Jahren entstanden, hat die Tradition entwickelt, dass sich alle zwei Jahre Vertreter aus Dörfern des ganzen Landes zu einer mehrtägigen, landesweiten Begegnung treffen, um Erfahrungen auszutauschen, gute Beispiele der Dorfentwicklung auszustellen, zu feiern und aus dem Bewusstsein ihrer gemeinsamen Stärke Kraft zu schöpfen. Dorfbewegungen sind von Dörfern bzw. Dorfgemeinschaften getragene zivilgesellschaftliche Bewegungen. Zur schwedischen Dorfbewegung gehören ca.5.000 Dorfaktionsgruppen bzw. Dorfvereine, in denen die Akteure des jeweiligen Dorfes gemeinsam für ihr Dorf wirken. Dorfbewegungen haben hauptsächlich zwei Funktionen. Sie dienen einerseits der Vernetzung der Dörfer, dem Erfahrungsaustausch darüber, wie Dorfgemeinschaften ihre eigenen Kräfte mobilisieren können, um die dörflichen Lebensverhältnisse zu verbessern; andererseits sind sie eine Art Interessenvertretung der Dörfer. Dem Letzteren dienen vor allem die Ländlichen Parlamente. Als neue Erscheinung hat sich dabei entwickelt, dass Politiker aller Ebenen, die mit dem ländlichen Raum zu tun haben, daran teilnehmen; aber nicht, wie oft üblich, um Reden zu halten bzw. kurze Statements abzugeben und dann zu verschwinden, sondern meist nehmen z. B. auch Minister die ganze Zeit an allen Veranstaltungen teil. Daraus hat sich eine neue Kultur des politischen Dialogs entwickelt, in der Dorfakteure und politische Entscheidungsträger sich als gleichberechtigte Partner sowohl kritisch auseinandersetzen als auch nach gemeinsamen Lösungen neuer Probleme suchen. In der Regel werden Empfehlungen und Vorschläge beschlossen, die den Politikern mit auf den Weg gegeben und worüber nach zwei Jahren beim nächsten Ländlichen Parlament Rechenschaft erwartet wird. Europaweite Stimme der Dörfer Die Vereinigung der Dorfbewegungen in Europa ERCA (EUROPEAN RURAL COMMUNITY ALLIANCE) hat 2012 in Auswertung der Erfahrungen der nationalen Ländlichen Parlamente beschlossen, in ähnlicher Weise auf europäischer Ebene ein Europäisches Ländliches Parlament ins Leben zu rufen. Analog den nationalen Ländlichen Parlamenten soll es einerseits europaweit den Erfahrungsaustausch über Dorfentwicklung fördern, wozu auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Dorfbewegungen gehört, die es inzwischen in 26 europäischen Ländern gibt. Andererseits soll es europaweit zu einer „Stimme der Dorfbevölkerung" werden, um die Interessen und Ansprüche der Dörfer auf der europäischen Ebene zu artikulieren. Ein „Europäisches“ Ländliches Parlament (ERP) hat also eine ähnliche Funktion wie ein „Nationales“ Ländliches Parlament: Es ist eine Begegnung von Dorfakteuren und Repräsentanten von Dorfbewegungen mit Politikern aller Ebenen, einschließlich der europäischen, auf Augenhöhe. Die schwedische Dorfbewegung hatte mittels ihrer Ländlichen Parlamente jahrelang ansatzweise die Rolle eines ERP vorweggenommen, indem sie in internationalen Seminaren solche Begegnungen von Politikern und Dorfakteuren in der europäischen Dimension, einschließlich des Erfahrungsaustausches zwischen Dorfbewegungen, vorweggenommen. Bereits auf dem Schwedischen Ländlichen Parlament in Sunne wurde über die Gründung eines ERP beraten und diese Diskussion jahrelang weitergeführt. Meine Initiative, 2012 den Entwurf einer Konzeption und eines Beschlusses für den Vorstand von ERCA vorzubereiten, war nicht mehr als das Aufgreifen dieser Idee und schon weit reichenden Vorstellungen über ein ERP; sie gab den Anstoß zu einem Beschluss des Vorstandes, der vom nächsten Schwedischen Ländlichen Parlament aufgegriffen und umgesetzt wurde, sodass schon ein Jahr später 2013 das erste ERP stattfinden konnte. Die ursprüngliche Idee, wonach das ERP eine Funktion der europäischen Dorfbewegung sein sollte, zumal die Initiative dazu von ERCA ausging, wurde später etwas revidiert und vielfach diskutiert, zumal neben ERCA zwei weitere europäische Netzwerke als Bündnispartner der Gestaltung des ERP angetreten waren, das Netzwerk PREPARE als pan-europäisches Netzwerk für den ländlichen Raum, und ELARD, als Netzwerk der LEADER-Regionen. Insofern verstärkte sich der Trend, das ERP als Interessenvertretung des Ländlichen Raumes und der ganzen Landbevölkerung zu betrachten. Tendenziell wird jedoch der Bezug zu den Dörfern und der Dorfbewegung der Kern der Wechselbeziehungen zum ERP bleiben Datei_14._ Auszug Beschluss ERCA z. ERP - ACHTUNG; IN DER DATEI WAR NICHTS DRIN Analog den nationalen Ländlichen Parlamenten war das ERP auch eine Begegnung von Dorfakteuren und Dorfbewegungsakteuren mit Entscheidungsträgern aller Ebenen auf Augenhöhe , wobei das Neue hierbei die europäische Dimension war, die solche Annäherungen komplizierter machte. Dennoch war auch hier eine Atmosphäre der Offenheit und eine Art Aufbruchstimmung entstanden, die sicherlich zu dem Wertvollsten gehörten, dass die Delegierten nach Hause mitnehmen konnten. Das kann auch in der am Schluss einstimmig beschlossenen Erklärung zu Ausdruck, die das gemeinsame Interesse an der Zukunft der Dörfer und ländlichen Regionen zum Ausdruck brachte und mit der Losung endete: Ganz Europa soll leben ! Allein schon dieses europaweite Bekenntnis zur Zukunft des Dorfes und der ländlichen Regionen zeigt die politische Bedeutung und Tragweite eines solchen zivilgesellschaftlichen Europäischen Ländlichen Parlaments. Diese Losung leitet sich von dem programmatischen Namen der schwedischen Dorfbewegung „Ganz Schweden soll leben!“ ab, was hier die Bedeutung hat, dass nicht nur die Städte und dicht besiedelten Regionen, sondern auch die Dörfer und peripheren Räume leben sollen, eine sichere Zukunft haben sollen. (Kra) Das zweite ERP 2015Das ERP als Stimme der Dörfer und der LandbevölkerungDiese Rolle des ERP als Interessenvertretung der Dörfer und der Landbevölkerung wurde mit der Vorbereitung des 2. ERP noch deutlicher. Es wurde klarer, dass es zwischen diesem europaweiten Prozess und den nationalen Dorfbewegungen einen engen Zusammenhang gibt. Einerseits wird die nationale Rolle der Dorfbewegungen und ihrer nationalen Ländlichen Parlamente durch das ERP auf die europäische Ebene gehoben und dort fortgesetzt. Andererseits sind die Dörfer, ihre regionalen und nationalen Dorfbewegungen und ländlichen Parlamente selbst die Akteure dieses europaweiten Handelns und das hat eine starke Rückwirkung auf diese Akteure. Wir haben das in Brandenburg mit seiner ersten regionalen deutschen Dorfbewegung besonders deutlich zu spüren bekommen. Nicht nur, dass wir in den langen Vorbereitungsjahren von der Solidarität und den reichen Erfahrungen der anderen Bewegungen maßgeblich profitierten; dadurch, dass der Beginn des ERP-Prozesses (2013 erstes ERP) fast zeitgleich mit der eigentlichen Gründung der Brandenburger Dorfbewegung (2014 Gründung des Vereins Dorfbewegung Brandenburg) verlief, wurde der ERP-Prozess quasi zu einem der Geburtshelfer dieser Bewegung und bewirkte ganz unmittelbar dessen Stärkung und politischen Anerkennung.So bewirkte die Teilnahme vieler Brandenburger Dorfakteure an der europaweiten Befragung der Probleme und Stimmungen der Dorfbewohner, dass deren Auswertung Einsichten vermittelte in Gemeinsamkeiten und Besonderheiten und somit das Bewusstsein der gemeinsamen Stärke und der eigenen Potenziale. Dadurch, dass wir schon auf dem ersten ERP in der Lage waren, den von vielen Dorfgemeinschaften beklagten Verlust der lokalen Selbstbestimmung, indem sie durch kommunale Gebietsreformen von selbstständigen Gemeinden zu sogenannten Ortsteilen größeren Gemeinden geworden waren, trafen wir ein Problem, das in vielen Ländern akut war und dadurch das Interesse einer ganzen Gruppe von Teilnehmern weckte, dieses Problem gemeinsam zu bearbeiten. Das ermöglichte uns auf dem dritten ERP, in das zu beschließenden Manifest einen Vorschlag einzubringen, der dazu führte, dass da ganze ERP die Regierungen aufforderte, das Selbstbestimmungsrecht der Dorfgemeinschaften zu achten. Dies ermöglichte uns, den Dorfbewohnern zu zeigen, wie durch die Dorfbewegung und das ERP ihre Probleme zu europaweiten politischen Forderungen führten. Und nicht zuletzt ermöglichten uns solche internationalen Erfahrungen und Ergebnisse, durch deren Präsentation vor einer Enquetekommission des Brandenburger Landtages die politische Akzeptanz der Dorfbewegung zu erreichen sowie eine Empfehlung an die Landesregierung, politisch und finanziell ein Parlament der Dörfer zu unterstützen. Das wiederum förderte die Einsicht weiterer Dorfgemeinschaften, sich der Dorfbewegung anzuschließen. All das machte deutlich, wie unverzichtbar für eine entstehende Dorfbewegung die internationale Kooperation ist. Die internationale ERP-Koordinierungsgruppe hat inzwischen ein Aktionsprogramm für 2016 und 2017 entworfen, dessen Themen aus dem Europäischen Ländlichen Manifest abgeleitet wurden. Darin werden 2 Themengruppen und thematische Projekte vorgeschlagen. Ihre Bearbeitung dient der Vorbereitung des 3. ERP, das 2017 stattfinden und 250 bis 300 Teilnehmer möglichst aus allen 47 im Europarat vertretenen Staaten haben soll. Die erste Gruppe enthält 9 Themen, die auf europäischer Ebene unter Beteiligung aller interessierten nationalen bzw. regionalen Partner bearbeitet werden sollen:
Die zweite Gruppe umfasst 11 Themen, die auf nationaler Ebene bzw. von jeweils einigen nationalen oder regionalen Partner bearbeitet werden sollen, für die das jeweilige Thema relevant ist.
Das europäische ländliche Manifest hat einige Vorschläge der Brandenburger Dörfer aufgegriffen, wodurch sich weitere Dörfer der Brandenburger Dorfbewegung anschlossen. In diesem Infobrief des Vereins der Dorfbewegung Brandenburg ist nachzulesen, welchen Beitrag die Brandenburger Dörfer zum Europäischen ländlichen Manifest leisteten. Das dritte Europäische Ländliche Parlament 2017 in Venhorst / NiederlandeGemäß der Orientierung des zweiten ERP wurden in Vorbereitung des dritten ERP arbeitsteilig Themengruppen aus dem beschlossenen Ländlichen Manifest in vergleichenden Forschungen weiter untersucht und die Ergebnisse fanden Eingang in die Überarbeitung des Manifestes. Dorfbewegung Brandenburg beteiligte sich an der Vergleichsuntersuchung zum Thema ländliche Infrastruktur. Neben den erwarteten Ergebnissen hinsichtlich der Differenzierung zwischen Ländern und Dorftypen sowie der Bedeutung von Kinderbetreuungsstätten und Grundschulen für die Attraktivität (Zuzugsfreundlichkeit) von Dörfern.Hingegen war ein erstaunliches Ergebnis, dass neben der Kita ein Dorfzentrum sowohl hinsichtlich des Vorhandenseins als auch des Fehlens ebenfalls an erster Stelle der Gewichtung rangierte. Eine Untersuchung, die von einer Enquetekommission des Brandenburger Landtages organisiert wurde, kam zu demselben Resultat. Das erlaubte die Interpretation, dass neben der bekanntlich ausgeprägten Gemeinschaftlichkeit in den Dorfgemeinschaften ein erneutes Erstarken des Gemeinschaftsbedürfnisses als soziales Potenzial dem jüngst durch kommunale Gebietsreform entstandenen Verlust lokaler Selbstbestimmung entgegenwirkte. Dorfzentren wurden daher zum Gegenstand einer Kooperationsveranstaltung der Dorfbewegung mit dem Vitaregiotag 2016 des Ökospeichervereins des Dorfes Wulkow. Dabei wurden Beispiele demonstriert, in denen solche Zentren mit staatlichen oder kommunalen Fördermitteln entstanden und solche, die allein aus dorfeigenen Kräften und Mitteln durch die Dorfgemeinschaft geschaffen wurden und funktionierten. Es zeigte sich auch, dass es in manchen Dörfern überhaupt erst einmal einen Raum als Treffpunkt zu schaffen, sei es die Wiederbelebung einer Dorfgaststätte oder die Mehrfachnutzung eines Kirchengebäudes.
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